Hart auf Hart

Titel: Hart auf Hart
Reihe: Nein - Einzelband
Sprache: Deutsch
Autor: T.C. Boyle
Verlag: Hanser Verlag
ISBN: 978-344-624737-6
Preis: 22,90 $ (D) Hardcover
Seiten: 400
empfohlenes Alter: ab 16 Jahren
Erschienen: 2. Februar 2015
Er trug seinen Kampfanzug und hatte das Messer umgeschnallt. Die Stiefel waren schmutzig, und Gesicht und Kopfhaut waren gebräunt wie bei einem Rettungsschwimmer. Hinter ihm, in dem Flur, der zum Wohnzimmer führte, sah sie die dunklen Umrisse seines Rucksacks und den schmalen Schatten des Gewehrs, das an der Wand lehnte.
Absoluter Freiheitsanspruch und Verfolgungswahn – T. C. Boyle erkundet in seinem neuen Roman die dunkle Seite der USA. Adam, den seine Eltern nach etlichen Schulverweisen und Therapiesitzungen aufgegeben haben, ist eine wandelnde Zeitbombe: In der Wildnis, wo er ein Schlafmohnfeld angelegt hat, führt er ein Einsiedlerleben und hortet Waffen gegen imaginäre Feinde. Aber es gibt jemanden, der sich in ihn verliebt. Sara hat ebenfalls ausreichend Feindbilder: Spießertum, Globalisierung, Verschwörer und die Staatsgewalt. Als sie Adam am Straßenrand aufgabelt, beginnt eine leidenschaftliche Liaison. Doch bald merkt Sara, dass Adam es ernstmeint mit den Feinden, sehr ernst.
 Das Cover ist geprägt durch grau und gedeckte, schmutzige, Farben. Selbst die Flagge bringt kein wirkliches Farbenspiel mit hinein. Der Titel "Hart auf Hart" ist in den Flaggenfarben gehalten, und ich frage mich ob es eben diesen amerikanischen Touch, einmal fern vom weißen Lattenzaun unterstreichen soll.
Die andere Seite von Amerika? Die weniger schöne?
Alles in allem ist es so kein Cover, das durch sein gleich auf sich aufmerksam macht. Und auch wenn ich selten ein Cover geschlechtsspezifisch in eine Schublade stecke, könnte ich mir doch vorstellend as sich wohl eher Männer von ihm angesprochen fühlen. 

Erster Satz - Die Sonne stand senkrecht, sie war einfach da, direkt über ihnen, glühend heiß, und ließ ihn schwitzen, so dass die Unterhose scheuerte und das Hemd am Rücken klebtem das wäre es mit der Haut verleimt, und warum er sich von Carolee zu dieser Sache hatte überreden lassen, würde ihm für immer ein Rätsel bleiben. 

Auf dem Weg zum Tierheim um ihren armen Hund Kutja vor der Macht des Staats zu retten, trifft sie auf den um einiges jüngeren Adam, welcher mit herausgestrecktem Daumen, Kampfanzug und verdreckten Rucksack auf eine Mitfahrgelegenheit wartet. Ohne Zögern nimmt sie ihn mit und glaubt bald in ihm einen Seelenverwandten gefunden zu haben. Denn Adam ist genau wie sie gegen den Staat. Allerdings ist er auch gegen die Chinesen und gegen Aliens.
Und er heißt nicht Adam, denn er sagt, er ist nicht der erste Mensch, sondern Colter. Colter wie der berühmte John Colter, ein amerikanischer Waldläufer aus der Zeit, als das Land noch Wild war.

Die amerikanische Seele ist ihrem Wesen nach hart, einzelgängerisch, stoisch und ein Mörder. Sie ist noch nicht geschmolzen
 D.H. Lawrence: Studies in Classic American Literature

Doch trotz ihrer Gefühle für ihn merkt sie bald, dass Adam es ernst meint. Dass für ihn die Feinde und Aliens so real waren, wie die Waffe in seiner Hand. Und das er keine Hemmungen hat, sich zu verteidigen, wenn er es für angebracht hält. 
Und als dieser Moment kommt, Beginnt der Krieg. 
 Mit einem schnörkellosen und manchmal rauem Schreibstil, entführt uns T.C. Boyle in die Schattenseite des amerikanischen Traums. Er verwebt auf interessante Art und Weise, Realismus mit Wahn und schafft es auf diesem Grad zu balancieren und den Leser einfach mitzureißen, auch wenn dieser sich noch nicht ganz im Buch gefunden hat.
So zumindest erging es mir. Dieser Wechsel der Charakter, von Sten´s Normalität, über Saras radikaler Ideologie von Freiheit bis hin zu Adam, welcher als tickende Zeitbombe durch die Gegend streift und sich mit seiner für ihn realen Furcht vor den Feinden verbirgt.
All das verwoben zu etwas Neuem, das mich innehalten und nicht mehr losließ. Fragen hingen im Raum. Wie weit geht Freiheit? Wie weit sollte sie gehen? Und sollte man wirklich erst wieder dann darüber nachdenken, wenn der nächste bewaffnete Psychopath um sich ballert?
 Es ist seltsam, aber ich muss wirklich sagen, dass keiner der Charaktere mir sympathisch war. Vielleicht lag das daran, dass sie für mich persönlich sich in einer ganz anderen Welt aufhielten. So lass ich. Verstand. Fühlte. War jedoch nicht mit dem Herzen bei den Charakteren. Vielleicht so gewollt vom Autor. Er beleuchtet wirklich einmal eine andere Seite dieser Psychopathen. Eine Nahe, welche zeigte, dass dahinter immer eine Geschichte steckt, die wir nicht kennen. 
So lernen wir den Pensionär Sten und seine Frau kennen, welche ihren Sohn im Grunde schon abgeschoben haben, als er sich weigerte zu seiner Therapie zu gehen und seine Pillen zu nehmen. Als er ging, waren sie sogar auf eine Art erleichtert. Als er wiederkam, reagierte gerade Sten nur mit Abneigung ihm gegenüber.

 
 
Auf der anderen Seite haben wir dann Sara. Sie ist Anfang 40 und verdient sich ihre Brötchen mit der täglich anfallenden Arbeit als Hufschmiedin. Sie ist unverheiratet und vertritt die Ideologie, dass jeder Brüder des Landes frei zu sein hat und so auch keine Verpflichtungen gegenüber den "Sklaven der Regierung" (z. B. Behörden, Polizei) hat. So erwidert sie beispielsweise, als der Polizist bei einer Wagenkontrolle ihre Papiere verlangt, das sie keinen Vertrag, mit dem Stadt Kalifornien hat.
Trotz ihres Altersunterschiedes verliebt sie sich in Adam und sieht in ihm etwas, das kein anderer sieht. Ob dies auch nur ihrer leicht "gestörten" Art zugrunde liegt, oder wirklich da ist, muss wohl jeder Leser für sich selber klären.
 Zum Schluss sind wir dann bei Adam, welcher Colter genannt werden will und sich in seinem Wahn einbildet, eben dieser zu sein. Seine Realität vermischt sich mit dem Buch, welches er damals über diesen berühmten Waldläufer gelesen hat und so verbringt er die meiste Zeit im Wald, weit ab von den Menschen. Im Wald findet er Ruhe, während er seinen Bunker baut, Waffen gegen imaginäre Feinde hortet und Schlafmohn anbaut, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Als er Sara trifft, scheint er das erste Mal einen gewissen Ankerpunkt gefunden zu haben. Anfangs findet er sie nur laut und störend und hört ihr selten wirklich zu. Aber sie ist da. Kümmert sich um ihn und er kehrt zu ihr zurück. 

Wie weit kann Freiheit gehen, ohne dass es zur Gefahr wird?
Diese Frage hing für mich persönlich zwischen den Zeilen. Ich verharre beim Lesen und denke an die Nachrichten.
An die Amokläufe und Anschläge.
An die verqueren Ideologien, Attentäter und Verschwörungstheoretiker.  
Und daran, wie erschrocken und schockiert dann alle sind, weil es zu einem weiteren Amoklauf kommt.
All diese Aspekte spiegeln sich unweigerlich in den Charakteren und ihren Taten wieder, weswegen es auch wohl unmöglich ist, eine Verbindung zu ihnen aufzubauen. Alles ist zu unvernünftig, zu unrealistisch und doch kratzt der Autor damit Hart an der Realität.
An der weltweiten Realität!!
So hat Boyle hier ein Werk geschaffen, das kein "Lesevergnügen" in der üblichen Art und Weise schafft. Es ist Hart und doch kein Thriller. Gegenwärtig ohne trocken politisch zu sein. Es ist mehr und lässt einem beim Erklären nach jedem Wort angeln.
Erschreckend. Das ist das einzige Wort, was mir oft durch den Kopf geisterte. Erschreckend Real und ein Spiegel der Gesellschaft.

Ein Buch das, dass sollte man bedenken, kein klassisches Lesevergnügen bereithält und Charktere vorzuzeigen hat, welche sich am Rande der Gesellschaft bewegen. Ein Buch, welche süberrascht, schokiert und zum nachdenken anregt.
Nicht leicht, aber auf eine Art sehr gut, die mich sprachlos und voller Fragen zurücklässt.

Trotz unsympathischer Charaktere und  einem "verrücktem" Handlungsstrang ist dies wohl das erste Buch, welches von mir 6 von 6 Krümeltörtchen bekommt, obgleich ich mich darin nciht selber finden konnte.


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